Keine Inhalte/Widgets in dieser Seitenleiste vorhanden.

Familienleben in Steyr

Erna Frankl kam am 5. Dezember 1915 als Tochter der Hermine, geb. Pollak (Jahrgang 1890), und des Heinrich Skalla (Jahrgang 1881) in Steyr auf die Welt.

Sie wohnte mit ihren Geschwistern Johann, genannt Hans (Jahrgang 1916), und ihrer Schwester Margarete, genannt Grete (Jahrgang 1918), im Haus ihrer Eltern, Sierninger Straße 39. Dieses Haus war seit 1893 im Besitz der Familie. Die Eltern betrieben ein Geschäft für Gemischtwaren, Kleidung, Textilien und Bettenzubehör.

Heinrich Skalla war auch in der „Israelitischen Kultusgemeinde Steyr“ als Vorsteher der „Chewra Kadischa“ (jüdischer Beerdigungsverein) einige Jahre aktiv.

Erna Skalla besuchte die Volksschule und bis zu ihrem 14. Lebensjahr die Bürgerschule in Steyr.

Der „Anschluss“

Nach dem „Anschluss“ im März 1938 begann für die Familie Skalla der Leidensweg der Verfolgung, Vertreibung und des Entzugs ihres Vermögens. Schon am 13.7.1938 wurde Heinrich Skalla mit anderen Steyrer Juden in „Polizeigewahrsam“ genommen und im Steyrer Gefängnis inhaftiert und einen Tag später, am 14.7.1938, nach Linz überstellt und von der Gestapo in „Schutzhaft“ genommen. Am 25.7.1938 wurde er wieder entlassen.

Am 8. November 1938 verhaftete man ihn abermals mit zwei weiteren Steyrer Juden, überführte ihn am 11.11.1938 neuerlich in das Linzer Polizeigefängnis und am 16.11.1938 in das KZ Dachau. Auch seine Frau Hermine Skalla wurde mit ihrer Tochter Margarete und anderen Steyrer Jüdinnen im Zuge der „Pogromnacht“ am 10. November 1938 verhaftet und im Polizeigefängnis in Steyr inhaftiert, einige Tage später wieder entlassen.

Schließlich waren die Kinder, Hans und Grete Skalla, gezwungen, nach Wien ziehen. Hans war schon im Jänner 1938, Grete war ab Juli 1939 in Wien gemeldet. Beide konnten schließlich nach Großbritannien fliehen.

Verfolgung, Vertreibung, Enteignung

Was folgte, war der langjährige, bürokratisch penibel dokumentierte Entzug des Vermögens von Heinrich und Hermine Skalla. So mussten auf Listen alle Besitztümer genau angegeben werden. Bargeld, Sparbücher, Wertpapiere wurden beschlagnahmt, darunter auch zwei Sparbücher für die Tochter Erna. Ein kommissarischer Verwalter wurde bestellt: Dies war zunächst Alois Hummer, der das Haus erwerben wollte. Dokumente bezeugen, dass Hummer, der zur Wehrmacht eingezogen wurde, wegen falscher Angaben und widerrechtlicher Ansprüche von den NS-Behörden als nicht zuverlässig eingestuft wurde. Max Hamann übernahm die Verwaltung.

Während der Abwesenheit von Hermine und Heinrich Skalla wurde das Geschäft ausgeräumt und vermietet.

Waren und Einrichtung wurden abverkauft, ein großer Teil ab 1942 an die Firma Bichler. Skalla hatte Steuern, wie beispielsweise die sogenannte „Reichsfluchtsteuer“ und die „Judenvermögensabgabe“ zu bezahlen.

Die jüdischen Eigentümer waren den kommissarischen Verwaltern ausgeliefert. So erpresste Max Hamann von Heinrich Skalla während dessen Haft im Linzer Polizeigefängnis das Losungswort zweier Sparkassenbücher und einer Lebensversicherungspolizze. Im Rückstellungsverfahren verteidigte sich Hamann wegen dieser Handlung damit, dass er die Sparbücher von der Gestapo erhalten habe, um damit Lieferantenschulden und Steuern bezahlen zu können.

Das Haus in der Sierninger Straße 39 in Steyr wurde zunächst vom „Gauwirtschaftsamt“ und nach Verfall des Vermögens der Ehegatten Skalla Ende 1942 vom „Oberfinanzpräsidium Oberdonau“ verwaltet.

Am 14. Dezember 1942 verfiel das Vermögen des Heinrich und der Hermine Skalla aufgrund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941 (RGBL I, S. 722) dem deutschen Reich.

Im Grundbuch scheint der Vermögensverfall an das Deutsche Reich allerdings nicht auf.

Verhängnisvolle Flucht

Heinrich Skalla wurde aus dem KZ Dachau entlassen, das Ehepaar war bis zu seiner Ausreise Anfang September 1940 in Wien im 9. Bezirk, Himmelpfortstiege 1, gemeldet. Am 3. September 1940 meldete sich das Paar „mit jüdischem Transport“ von Wien mit dem Ziel Palästina ab. Von Bratislava aus wollten die Skallas mit fast 4000 weiteren jüdischen Menschen aus Wien, Berlin, Prag, Danzig und aus anderen Gebieten des NS-Machtbereichs nach Palästina flüchten. Auf überladenen Donauschiffen erreichten sie den Schwarzmeerhafen Tulcea, wo die Passagiere auf drei weitere Frachtschiffe umgeladen wurden. Eine wochenlange Odyssee durch das Schwarze Meer, den Bosporus und die Ägäis führte sie Ende November an die Küste von Palästina. Die britischen Mandatsbehörden wollten jedoch diesen „illegalen“ Flüchtlingstransport auf die „Patria“ (ein zu einem Truppentransporter umgebautes Passagierschiff) mit dem Ziel der britischen Kolonie Mauritius umleiten. Damit sollten weitere jüdische Flüchtlingsgruppen vor einer Einreise in das britische Mandatsgebiet „Palästina“ künftig abgeschreckt werden. Nachdem die Passagiere zweier Schiffe bereits auf die „Patria“ umgeladen worden waren, kam es zu einer Explosion. Kämpfer der zionistischen paramilitärischen „Hagana“ hatten Sprengstoff am Schiff angebracht, um es fahruntüchtig zu machen. 260 Menschen fanden dabei den Tod, die überlebenden Schiffbrüchigen, darunter viele Verletzte, durften in Palästina bleiben. Doch an die 1.600 Flüchtlinge, die an Bord der „Atlantic“ waren, wurden auf zwei gecharterten holländischen Frachtschiffen nach Mauritius deportiert, wo sie im Dezember 1940 im Hafen von Port Louis ankamen und im wenige Kilometer entfernten Gefängnis „Beau Bassin“ für fünf Jahre interniert wurden. Unter ihnen befand sich auch das Ehepaar Heinrich und Hermine Skalla.

Nach Kriegsende freigelassen und in einem DP (displaced persons)-Lager in Tricase Porte in der Provinz Lecce in Süditalien untergebracht, schrieb Heinrich Skalla am 10.7.1946 an das amerikanische Militär in Steyr:

Unfortunately I went through the hardiest experiences: I was in the concentration camp Dachau and five years in the prison Beau Bassin on the tropical island Mauritius, had been deported and interned there and I lost by Nazis my married daughter and son in law. I am bodily and mentily ruined and my wife is very sick as well”.1

Rückstellungsverfahren und Emigration

Nach Auflösung der NS-Dienststelle „Oberfinanzpräsidium Oberdonau“ im Mai 1945 wurde die Finanzlandesdirektion von der Militärregierung Oberösterreich zum Verwalter der Liegenschaft bestellt. Am 7.11.1947 mit Rechtskraft 28.11.1947 wurde die Liegenschaft Sierninger Straße 39 mittels Rückstellungsbescheid nach dem Ersten Rückstellungsgesetz an Heinrich und Hermine Skalla zurückgegeben. Das Haus war während ihrer Abwesenheit vermietet worden, aufgetretene Schäden mussten repariert werden. Zu Kriegsende befand sich das Haus in einem Zustand, der einen größeren Reparaturbedarf aufwies.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte der Weg des Ehepaares Skalla von Mauritius über ein DP-Lager in Süditalien nach Großbritannien. Briefe von Heinrich und Hermine Skalla, aber auch von ihrem Sohn Hans, zeugen vom Verlust ihres Eigentums und von ihren jahrelangen Bemühungen nach dem Krieg, ihr Vermögen wieder zurückerstattet zu erhalten. Sie bezeugen aber auch ihre grausame Verfolgung, ihre Haft, ihre Flucht und die schwierigen Lebensumstände auf der tropischen Insel Mauritius. Zahlreiche Schreiben der Skallas an Behörden und Bekannte spiegeln wider, wie sehr ihr Leben nach dem Krieg in England durch seelische und körperliche Leiden beeinträchtigt war.

Flucht, Deportation und Ermordung

Während den jüngeren Kindern Johann und Margarete die Flucht von Wien nach Großbritannien gelang, entkam die ältere Tochter Erna den Nazischergen nicht.

Aus dem historischen Wiener Melderegister geht hervor, dass Erna Skalla im Oktober 1937 im 8. Wiener Bezirk, Skodagasse 14/10 wohnte und sich dann nach Steyr abgemeldet hat. Bis zum „Anschluss“ am 13.3.1938 lebte sie mit ihrer Schwester Margarete und ihren Eltern in derem Haus in der Sierninger Straße 39.

Am 14. Juli 1938 heiratete sie Alois Frankl (Jahrgang 1911) in Prag und zog mit ihm nach Dobříš.

Am 4. September 1942 wurden beide von Prag nach Theresienstadt deportiert. Vom KZ Theresienstadt aus wurden sie am 8.9.1942 mit dem Transport Bk, Nr. 293, nach Maly Trostinec überstellt und ermordet.

Am 18. Mai. 1957 wurde Erna Frankl für tot erklärt. Ihre Eltern ließen am Steyrer jüdischen Friedhof zur Erinnerung an ihre Tochter Erna einen Grabstein anbringen.

Auf ihm sind folgende Zeilen zu lesen: „Zum Andenken an unsere unvergessliche Tochter ERNA vereh. FRANKL welche im 26. Lebensjahre […] nach unsagbaren Leiden Opfer des furchtbaren Hitlerterrors wurde. Die tieftrauernden Eltern u. Geschwister“

Seit Mai 2025 erinnert ein „Stolperstein“ vor ihrer ehemaligen Wohnadresse, Sierninger Straße 39, in Steyr an Erna Frankl, geb. Skalla.

Quellen und Literatur

Quellen:

1 OÖLA, Finanzlandesdirektion – Vermögensrückstellung, digitalisiert: FiFLDBVFR19_2091.jpg und FiFLDBVFR19_2092.jpg, Brief von Heinrich Skalla an das amerikanische Militär (10.7.1946)

Oberösterreichisches Landesarchiv (OÖLA), Finanzlandesdirektion (FLD), Beschlagnahmte Vermögen, Schachtel 36; Finanzlandesdirektion – Vermögensrückstellung, Zl. 49/1948 (Sch. 3), 158/1949 (Sch. 9), 20/1950 (Sch. 10); digitalisiert: FiFLDBVFR19_1748.jpg- FiFLDBVFR19_2309

Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Vermögensanmeldung 43702 und Abgeltungsfonds 927, Erna Skalla, 05.12.1915

Wiener Stadt- und Landesarchiv, historische Wiener Meldeunterlagen, Schreiben vom Wiener Stadt- und Landesarchiv vom 17.7.2023 an die Autorin (MA8-B-MEP-870339-2023), Daten von Erna Skalla, geb. 05.12.1915

DÖW-Opferdatenbank:

https://www.doew.at/personensuche?gestapo=on&findall=&lang=de&shoah=on&politisch=on&spiegelgrund=on&firstname=Erna&lastname=Frankl&birthdate=&birthdate_to=&birthplace=Steyr&residence=&newsearch=10&iSortCol_0=1&sSortDir_0=asc&lang=de&suchen=Suchen#

Opferdatenbank Theresienstadt:

https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/85481-alois-frankl

https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/85519-erna-franklova

Literatur:

Ellmauer, Daniela – John, Michael – Thumser, Regina: „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Oberösterreich (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 17/1, Wien – München 2004) S. 230 f., 376, 379, 414 f., 489

Neuhauser-Pfeiffer, Waltraud – Ramsmaier, Karl: Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr (Grünbach 1998), S. 150-153, 156, 303 f.

Neuhauser-Pfeiffer, Waltraud: Dazugehörig? Jüdisches Leben in Steyr von den Anfängen bis in die Gegenwart (Steyr, Verlag Ennsthaler 2021) S. 24 f., S. 29

Internetquellen:

Friedmann, Ronald: Das britische Internierungslager für jüdische Flüchtlinge auf Mauritius (1940-1945), Vortrag 9.7.2015. URL: https://www.ronald-friedmann.de/vortraege/das-britische-internierungslager-fuer-juedische-fluechtlinge-auf-mauritius-1940-1945/; Friedmann, Ronald: Juden auf Mauritius. Gefangen am Traumstrand. URL: https://www.spiegel.de/geschichte/juden-auf-mauritius-a-948454.html;

Geschichte der Juden auf Mauritius: URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Juden_in_Mauritius)

Bildbeschreibungen u. Fotocredit:

  1. Ezechiel Skalla, Geschäft um 1910 (Stadarchiv Steyr)
  2. Warenhaus Heinrich Skalla, 1913 (Stadarchiv Steyr, NL Schimanko)
  3. Grabstein Erna Frankl, jüdischer Friedhof (Karl Ramsmaier)

Waltraud Neuhauser-Pfeiffer

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung