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Lebensmittelpunkt Steyr

Emma Guttmann wurde am 17.1.1855 in Tabor als Tochter von Samuel und Hellena Guttmann geboren. Sie heiratete am 19.11.1878 Moritz Wurmfeld (Jahrgang 1849), dessen Eltern bereits 1869 nach Steyr gezogen waren. Dem Ehepaar wurden vier Kinder geschenkt, die Söhne Karl (*1880), Emil (*1882) und die Töchter Ida (*1884) und Elsa (*1886).

Moritz übte den Beruf des Messerers aus, er war auch als Schuhwarenhändler und Krämer tätig. Sie wohnten zunächst in der Sierninger Straße 5, später 10.1

Engagement in der Kultusgemeinde
Bei der Gründung der Israelitischen Kultusgemeinde im Dezember 1892 fungierte Moritz Wurmfeld als Stellvertreter des Vorstehers Joachim Winternitz. Den Kaufvertrag des Bethauses in der Bahnhofstraße 5 unterzeichnete er 1894 gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Kultusgemeinde. Im selben Jahr wurde er auch zum Synagogenvorsteher gewählt. Darüberhinaus leitete er jahrelang die Chewra Kadischa (Krankenpflege- und Beerdigungsverein). Zwei Gedenktafeln, die sich am Jüdischen Friedhof befinden, zeugen heute noch davon.2

Moritz Wurmfeld wurde 1896 vereidigt, die vakante Stelle des Rabbiners vorübergehend zu besetzen und die Matriken der Kultusgemeinde zu führen, bevor Heinrich Schön zum neuen Rabbiner im November 1896 bestellt wurde.3
Auch Emil, der Sohn von Moritz und Emma Wurmfeld, übernahm 1932 das Amt des stellvertretenden Vorstehers in der Kultusgemeinde, legte es jedoch im Jahr darauf nach dem Tod von Nathan Pollak, der dieses Amt viele Jahre innehatte, wieder nieder.4

Gesellschaftliches Leben

Von Elisabeth Winternitz erwarben Emma und Moritz Wurmfeld 1886 die „bürgerliche Messergerechtigkeit“.

1906 kauften Emma und Moritz Wurmfeld die Papierfabrik des Steyrer Vizebürgermeisters Leopold Köstler am Hammerschmiedberg. Um 1907 erzeugte man dort Messer, 1914 waren 70 Leute beschäftigt. Im April 1915 erwarb diese Messerfabrik samt Wohngebäude die Firma „Winternitz‘ Neffen“ (Messer- und Stahlwarenfabrik).


Moritz Wurmfeld nahm am gesellschaftlichen Leben aktiv teil, er wurde 1911 in den Vorstand des Österreichischen Flottenvereins, Ortsgruppe Steyr, gewählt, 1914 übernahm das Amt des geschäftsführenden Obmanns sein Sohn Emil. Moritz Wurmfeld war auch bei der Freiwilligen Städtischen Feuerwehr tätig, 1907 wurde er für seine 25jährige Mitgliedschaft, 1924 für seine 40jährige Dienstzeit geehrt. Eine silberne Ehrenmedaille errang er bei der oberösterreichischen Landes-, Handwerker- und Industrieausstellung im September 1909.

Auch Emil, der Sohn von Emma und Moritz Wurmfeld, war 1913 Brandmeister bei der Freiwilligen städtischen Feuerwehr, bei der er 1933 für 25 Jahre treue Dienste geehrt wurde.

Er war auch Reserveleutnant und später Oberst im Ersten Weltkrieg. Im September 1914 wurde er verwundet. Im Jänner 1915 ernannte man ihn zum Kommandanten der „Einjährig-Freiwilligenschule“ in Theresienstadt. Sein Vorgesetzter belobigte Leutnant Emil Wurmfeld für seine Dienste im Jägerregiment 42.

Als Moritz Wurmfeld 1932 starb, übernahm Sohn Emil das Schuhgeschäft, das Haus besaßen nun je zur Hälfte die Mutter Emma und Emil.5

Enteignung, Verfolgung, Deportation

Nach dem „Anschluss“ im März 1938 wurde das Haus zunächst kommissarisch verwaltet und Anfang September des Jahres „arisiert“. Erst 1948 wurden Haus und Geschäft an Emil Wurmfeld restituiert.6

Die Mutter Emma Wurmfeld musste Ende September 1938 nach Wien ziehen, wechselte mehrmals den Wohnsitz7 und wurde am 22. Juli 1942 mit dem Transport 33 in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie mit 87 Jahren, nur wenige Tage nach ihrer Ankunft am 28.7.1942 ermordet wurde.8

Ihre Kinder Emil Wurmfeld und Ida Fürst konnten in die USA entkommen. Karl, der älteste Sohn von Emma und Moritz Wurmfeld, wurde mit seiner Frau Ida ebenfalls 1942 nach Theresienstadt verschleppt, von dort 1943 nach Auschwitz überstellt und ermordet. Deren Sohn Erich wurde schon im Dezember 1941 nach Theresienstadt deportiert, 1943 gemeinsam mit seiner Frau Irma nach in Auschwitz ermordet.

Ein ähnliches Schicksal erlitt Elsa, die jüngste Tochter des Ehepaares Moritz und Emma Wurmfeld, die mit dem Wiener Otto Reich verheiratet war. Beide wurden 1941 nach Kowno deportiert und ermordet.9

Am jüdischen Friedhof sticht der Grabstein mit den gut lesbaren Namen von Emma und Moritz Wurmfeld und jenen ihrer ermordeten Kinder, Schwieger- und Enkelkinder hervor. Vermutlich ließen die nach Amerika geflüchteten Kinder Ida Fürst und Emil Wurmfeld nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges diese Namen in Erinnerung an ihre ermordeten Verwandten eingravieren.

Seit Juni 2024 wird das Schicksal der ermordeten Emma Wurmfeld mit einem „Stolperstein“ vor ihrem Haus, Sierninger Straße 10, gewürdigt.

Bildbeschreibung und Fotocredit:

  1. Gedenktafel Moritz Wurmfeld, jüdischer Friedhof Steyr (Waltraud Neuhauser-Pfeiffer)
  2. Gedenktafel Spenden Synagoge, jüdischer Friedhof Steyr (Waltraud Neuhauser-Pfeiffer)
  3. Messerfabrik Winternitz‘ Neffen, 1911 (Museum Arbeitswelt)
  4. Deportationsliste,Arolsen Archives, Deportationen und Transporte: Transport 33: Deportation von Wien nach Theresienstadt, 09.10.1942. URL: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/130501898?s=Wurmfeld%20Emma&t=532992&p=0 (aufgerufen am 13.3.2024)
  5. Grabstein Wurmfeld, jüdischer Friedhof Steyr (Waltraud Neuhauser-Pfeiffer)
  6. Shoah Namensmauern Gedenkstätte, Ostarrichipark Wien: Emma Wurmfeld 1855 (Waltraud Neuhauser-Pfeiffer)

1 Vgl. Stadtarchiv Steyr (StA Steyr), Evidenzprotokoll Heimatmatrik (1880-1924), Bd. VI, 47; Standesamt Steyr, Heimatrolle, Katasterblatt Nr. 3037; Neuhauser-Pfeiffer, Waltraud – Ramsmaier, Karl: Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr (Grünbach 1998) 143, 253

2 Neuhauser-PfeifferRamsmaier: Vergessene Spuren 50 f., 57, 59

3 Vgl. StA Steyr, Akten IKG Steyr: Schreiben Israelitische Cultus-Gemeinde Steyr an k.k. Statthalterei, Linz (1.9.1896); Bürgermeister von Steyr an k.k. Statthalterei (2.9.1896); Schreiben k.k. Statthalter an Bürgermeister in Steyr (6.9.1896), Protokoll der Stadtgemeinde-Vorstehung: Eid Moritz Wurmfeld (22.9.1896); Neuhauser-PfeifferRamsmaier: Vergessene Spuren 270

4 Neuhauser-PfeifferRamsmaier: Vergessene Spuren 91 f.

5 Vgl. Neuhauser-Pfeiffer – Ramsmaier: Vergessene Spuren 60 f., 70, 87, 253; Linzer Volksblatt, 19.11.1924, 5; Begsteiger, Helmut: Häuserchronik der Stadt Steyr: Abschnitt Steyrdorf mit Aichet, Kegelpriel, Wieserfeld, Steyrdorf, Örtl, Schlüsselhof (Steyr 2010) 325

6 Ellmauer, Daniela – John, Michael – Thumser, Regina: „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen und Entschädigungen in Oberösterreich (Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 17/1, Wien – München 2004), Anhang II – Jüdisches Gewerbe im Gau Oberdonau, Bezirk Steyr, 489

7 Wiener Stadt- und Landesarchiv, historische Meldeunterlagen: MA8-B-MEP-870960-2023, Schreiben vom 14.7.2023

8 Vgl. Arolsen Archives, Deportationen und Transporte: Transport 33: Deportation von Wien nach Theresienstadt, 09.10.1942. URL: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/130501898?s=Wurmfeld%20Emma&t=532992&p=0(aufgerufen am 13.3.2024); Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW), Opferdatenbank, URL: https://www.doew.at/result (aufgerufen am 7.4.2024)

9 Vgl. Neuhauser-Pfeiffer, Waltraud: Dazugehörig? Jüdisches Leben in Steyr von den Anfängen bis in die Gegenwart (Steyr, Verlag Ennsthaler 2021) 41; DÖW, Opferdatenbank: https://www.doew.at/result (aufgerufen am 7.4.2024)

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